In den letzten Jahren haben psychische Erkrankungen stark zugenommen. Knapp die Hälfte aller KlientInnen klagen über Depressionen, Angststörungen oder innere Unruhe usw. Was kann die TCM zu einer Verbesserung beitragen?

In der TCM werden psychische Erkrankungen als Ungleichgewicht im Körper und im Fluss der Lebensenergie (Qi) betrachtet. Die TCM geht davon aus, dass Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden sind und psychische Störungen oft mit physischen Symptomen einhergehen. Der Zugang der TCM zu psychischen Erkrankungen ist ganzheitlich und berücksichtigt emotionale, mentale und körperliche Aspekte. Man hat also nie Körper und Geist als getrennte Systeme gesehen.

Warum sind immer mehr Menschen psychisch krank?

Die Zunahme psychischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten ist ein komplexes Phänomen, das auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen ist. Der Druck am Arbeitsplatz, lange Arbeitszeiten und die Angst vor Jobverlust führen zu chronischem Stress. Die ständige Verfügbarkeit von Informationen und die Erwartung, immer erreichbar zu sein, überfordern viele Menschen. Trotz digitaler Vernetzung fühlen sich viele Menschen isoliert und einsam, was psychische Erkrankungen begünstigt.

In modernen Gesellschaften nimmt der Zusammenhalt in Familien und Gemeinschaften ab, was zu fehlender sozialer Unterstützung führt. Soziale Ungleichheit fördert auch die Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Benachteiligung erhöhen das Risiko für psychische Erkrankungen.

Übermäßige Nutzung von Smartphones, sozialen Medien und Computerspielen kann zu Suchtverhalten, Schlafstörungen und sozialer Isolation führen. Besonders das Leben in großen Städten ist oft mit Lärm, Hektik und fehlenden Grünflächen verbunden, was den Stress und psychische Belastungen noch erhöht.

Die Pandemie (Covid) und der katastrophale Umgang von Politik und Medien hat zu einer Zunahme von Angst, Depression und Einsamkeit geführt. Insgesamt wird den Menschen eine fehlende Selbst-Kompetenz suggeriert. Die Moderne Medizin führt die Menschen nicht ins Selbstvertrauen oder zumindest in die Eigenverantwortung, sondern macht Sie zu „dummen“ Pillenschluckern.

Ein sitzender Lebensstil und fehlende körperliche Aktivität können das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen. Unsere westliche Ernährung, die reich an Zucker und verarbeiteten Lebensmitteln ist, kann sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken.

Fehlende Achtsamkeit, die Fähigkeit, im Moment zu leben und sich selbst zu reflektieren, geht in den modernen Gesellschaften verloren. Stattdessen grassiert die Sorge um die (materielle) Zukunft und der unserer Kinder.

Grundlagen der TCM bei psychischen Erkrankungen

1. Qi, Blut und Körperflüssigkeiten: Psychische Gesundheit hängt vom harmonischen Fluss von Qi, Blut und Körperflüssigkeiten ab. Blockaden oder Schwächen in diesen Bereichen können zu psychischen Störungen führen.

2. Organbezogene Emotionen: In der TCM werden Emotionen bestimmten Organen zugeordnet. Zum Beispiel:

- Leber: Wut, Frustration
- Herz: Freude, aber auch Angst und Unruhe
- Milz: Grübeln, Sorgen
- Lunge: Traurigkeit
- Nieren: Angst, Unsicherheit

Ein Ungleichgewicht in diesen Organen kann die zugehörigen Emotionen verstärken und psychische Probleme verursachen.

3. Shen (Geist): Das "Shen" wird im Herzen beherbergt und steht für Bewusstsein, Klarheit und psychische Stabilität. Störungen des Shen können zu Schlafproblemen, Angstzuständen, Depressionen oder Verwirrung führen. In der TCM wird das Gehirn mehr als ein Speicherort des Wasserelementes gesehen. Der Geist oder die 5 Geistesaspekte sind überall im Körper aber vor allem in den 5 Zang-Organen.

Diagnose

Die Diagnose in der TCM basiert auf einer ausführlichen Anamnese, Pulsdiagnose, Zungendiagnose und der Beurteilung des allgemeinen Zustands des Patienten. Der Therapeut sucht nach Mustern von Ungleichgewicht, die den psychischen Symptomen zugrunde liegen.

Behandlungsansätze

1. Akupunktur:

Akupunktur wird eingesetzt, um den Fluss von Qi und Blut zu regulieren und Blockaden zu lösen. Bestimmte Punkte können gezielt verwendet werden, um Emotionen zu harmonisieren und das Shen zu beruhigen. Beispiele:

Herz 7 - (Shenmen) zur Beruhigung des Geistes, Leber 3 zur Harmonisierung der Emotionen.
PC6 (Perikard 6) – (Neiguan): Beruhigt das Herz, lindert Angst, Übelkeit und innere Unruhe.
GV20 (Du Mai 20) – (Baihui): Stärkt das Gehirn, beruhigt den Geist und fördert die Klarheit.
LV3 (Leber 3) – (Taichong): Harmonisiert die Leber, löst emotionale Blockaden und reduziert Stress.
GB34 (Gallenblase 34) – (Yanglingquan): Reguliert die Leber und Gallenblase, löst emotionale Spannungen.

2. Kräutertherapie:

Chinesische Kräuterrezepturen werden individuell angepasst, um das zugrunde liegende Ungleichgewicht zu behandeln. Zum Beispiel:

Xiao Yao San: Bei Depressionen und Stimmungsschwankungen, die mit Leber-Qi-Stagnation verbunden sind.
Gui Pi Tang: Bei Schlafstörungen, Ängsten und Erschöpfung aufgrund von Milz- und Herz-Qi-Schwäche.
Ling Gui Zao Cao Tang, Ben Tun Tang, Gui zhi jia Gui Tang bei Angststörungen und Panik-Attacken.
Ban Xia Hou Po Tang bei emotionaler Stagnation, Depression, Angst, Globusgefühl (Gefühl eines Kloßes im Hals).
Gan Mai Da Zao Tang bei Emotionale Labilität, Weinerlichkeit, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Manie, Krämpfe, Hysterie (oft bei Frauen in den Wechseljahren oder bei emotionaler Erschöpfung).
Gui Zhi Jia Long Gu Mu Li Tang: Angstzustände, Schlafstörungen, nächtliches Schwitzen, Herzklopfen, Auszehrung, schwere Erschöpfung, Yin-Yang Separation.
Chai Hu Jia Long Gu Mu Li Tang Depression, Angst, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Herzklopfen. Shaoyang-Stagnation mit starken Unruhe-Zuständen, Herz-Yang-Erschöpft, manisch-depressiv, Schimpfen, Drogenentzug, Yin-Yang Separation.
Suan Zao Ren Tang: Bei Schlaflosigkeit, Unruhe, Angst, nächtliches Schwitzen. Herz Blut und Yin-Mangel führt zu nervöser Unruhe.
Da Chai hu Tang: Bei chronischen Erkrankungen der Leber und Galle, Magen und Darm die zu einem allgemeinen Gefühl der Leere und Müdigkeit führen. Die Rezeptur wird häufig bei begleitendem, ständigem Völlegefühl, Thorax Obstruktion, bitterem Mundgeschmack und gestauter Hitze im Abdomen eingesetzt.
Gan Cao Xie Xin Tang: Bei Gastritis, „Magenhitze“ die das Herz und den Schlaf stört. Eine Rezeptur die häufig bei Unruhe in Verbindung mit Verdauungsstörungen eingesetzt wird.
Zhi Zi Dou Chi Tang: Hitzegefühle, Unruhe, Manie, leichtes Schwitzen, "Hitze im Herzen", Schlafstörungen, Reizbarkeit, Gefühl von Hitze in der Brust.

3. Qigong und Tai-Chi:

Diese Bewegungs- und Meditationspraktiken fördern den Fluss von Qi, reduzieren Stress und stärken die psychische Widerstandskraft. Die langsamen, bewussten Bewegungen und die tiefe Atmung aktivieren den Parasympathikus, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist. Lernen wir auf unsere Atmung und auf unseren Körper zu achten, beruhigt sich der Geist und wird auf natürliche Weise klar. Es reduziert auch Stresshormone wie Cortisol und fördert ein Gefühl der Ruhe. Das Üben in Gruppen fördert soziale Bindungen und ein Gefühl der Zugehörigkeit, was sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt. In Qigong- oder Tai-Chi-Gruppen können Erfahrungen ausgetauscht und emotionale Unterstützung gefunden werden.

4. Ernährungstherapie:

Man sollte den Einfluss der Nahrung auf die Psyche keinesfalls unterschätzen. Die Biochemie der Nahrungsmittel und deren natürliche, auf die Jahreszeit abgestimmte Einnahme bestimmt unser Gemüt und die Gesundheit. Denaturierte Nahrung, Mikrowelle, Fast-Food, Zucker verschlechtern unseren Geist. Die Ernährung sollte auf das Ungleichgeweicht der entsprechenden Person angepasst werden, um die betroffenen Organe zu stärken und das Qi zu harmonisieren.

5. Tuina (Massage):

Tuina-Massage kann verwendet werden, um Verspannungen zu lösen und den Qi-Fluss zu verbessern, was sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt. Menschliche Berührung und Zuneigung fördert den natürlichen Zustand unseres Geistes.

6. Lebensstil und emotionale Balance:

Die TCM betont die Bedeutung eines ausgeglichenen Lebensstils, einschließlich ausreichend Schlaf, regelmäßiger Bewegung und emotionaler Ausgeglichenheit.

Fazit

Die TCM bietet einen ganzheitlichen Ansatz zur Behandlung psychischer Erkrankungen, der darauf abzielt, das zugrunde liegende Ungleichgewicht im Körper zu korrigieren. Durch die Kombination von Akupunktur, Kräutertherapie, Bewegung und Lebensstilanpassungen soll die Harmonie von Körper und Geist wiederhergestellt werden.